Die Fabrik für Handwerk Kultur und Ökologie
Auf dem Gelände der Habsburgerstr. 9 war zwischen 1897 und 1909 die Möbelfabrik Springer entstanden. 1938 wurden die jüdischen Besitzer gezwungen, das Gelände zu verkaufen, 1949 wurde es an die Familie Springer rückübereignet. Die Firma wurde 1953 geschlossen, das Gelände von einer Garnfabrik (Burkhardt & Schmidt) erworben, die 1975 das Gelände wieder aufgab. Drei Jahre stand das Gebäude leer. Christian Petty, der in der Spechtpassage seit 1976 die „Bundschuhdruckerei“ betrieb, kaufte 1978 für 1,5 Mio. DM das Fabrikgelände und vermietete es an verschiedene Alternativbetriebe und Initiativen.
Rund 50 Menschen wurden in der Fabrik tätig. Sie gründeten 1980 einem gemeinnützigen Verein „Fabrik für Handwerk Kultur und Ökologie e.V.“, aber niemand wollte die organisatorische Verantwortung, d.h. Eigentümeraufgaben übernehmen. Entnervt wollte Christian Petty 1984 das Gelände wieder verkaufen. Nach seinem Ultimatum fanden sich in einer großen Bettelaktion 500 Einleger, die innerhalb weniger Wochen (September – Dezember 1984) 1,2 Mio. DM Darlehen aufbrachten. Verwandte der Mieter, Bauern aus dem Dreyeckland, Umweltschützer aus dem Bundesgebiet beteiligten sich. Ein Drittel der Darlehen kam nicht aus Freiburg. Am 1. Mai 1985 kam der Kaufvertrag zustande und Christian Petty zog sich als Schäfer nach Südfrankreich zurück.
Die umfangreichen Privatdarlehen waren eine Folge der Verwurzelung der Fabrik in der Ökologie- Friedens- und Frauenbewegung. Im Zusammenhang mit Wyhl, den Freiburger Hausbesetzungen war viel politische Arbeit geleistet worden, wie z. B. die Einrichtung eines „Freundschaftshauses“ für den räumungsbedrohten Schwarzwaldhof oder Aktivitäten zum Volkszählungsboykott (1982). Dabei wurde großer Wert auf Vermittlungsarbeit, Deeskalation und politische Neutralität gelegt. Mit 3200 qm Nutzfläche in vier Gebäuden bot das Gelände viele Möglichkeiten. Neben der Druckerei Schwarz auf Weiß, dem Siebdruck und der Schreinerei entstanden eine Fahrradwerkstatt, ein Motorradclub, Medienagenturen, zahlreiche Büros sozialer Initiativen (Frauen, Frieden, Ökologie, Bosnienhilfe), daneben Tanz und Sportgruppen. Durch Ausbau eines Theaterraums 1988 wurde eine Spielstätte vornehmlich für Kabarett mit einer Künstlerwohnung geschaffen: Das „Vorderhaus“. Im Jahr 2000 gab es rund 30 verschiedene Büros, Initiativen und Firmen mit insgesamt 170 Arbeitsplätzen und 200 000 Besuchern im Jahr. Die einzelnen Initiativen waren nicht zu einer alternativen Wirtschaftsstruktur verpflichtet, so war der größte Betrieb die Druckerei hierarchisch und mit Zeiterfassungssystem organisiert. Systematisch wurde die bauliche Verbesserung des Geländes betrieben (Blockheizkraftwerk, Renovierung aller Gebäudeteile, Solarstromtankstelle). Stadt und Land begannen Zuschüsse zu zahlen, die etwa 25% der Kosten ausmachten. Die zahlreichen sozialen Aktivitäten unter anderem für die Integration von Behinderten sind auf der Webseite www.freiburg-fuer-alle.de und in den „Fabrik Rundbriefen“ dokumentiert.
Bis heute besteht die Organisationsstruktur aus dem gemeinnützigen Verein. In sechs bis acht Hausversammlungen beschließt er über alle wichtigen Fragen. Der dreiköpfige Vorstand hat nur beschränkte Handlungsvollmacht, ein Verkauf des Geländes müsste von der Mitgliederversammlung genehmigt werden. Die Finanzierung erfolgt durch Einnahmen, Zuschüsse, Bank- und Privatkredite. Interne Probleme werden nicht nach außen kommuniziert. Zwei Vorstandsmitglieder, Martin Wiedemann und Hans Schmid sind schon Jahrzehnte im Amt.