Alternativwirtschaft in Freiburg

Das „Grethergelände“ in der Adlerstraße

Die Firma Grether &Cie. wurde 1873 gegründet. Es war eine Eisengießerei mit angegliederter Buntmetallschmelze, in der um 1900 etwa 100 Arbeitskräfte beschäftigt waren. Über die Geschichte des Betriebs ist wenig bekannt, da die Firmenunterlagen 1944 bei dem großen Bombenangriff auf Freiburg vernichtet wurden. Die Erbengemeinschaft Kaffenberger vermietete als neuer Eigentümer des Geländes die Hallen und Räume an verschiedene Kleinbetriebe. 1977 vermieteten Kaffenbergers einen Teil des Lagergebäudes an das erste Alternativprojekt auf dem Gelände, das „Lager“. Es handelte mit gebrauchten Möbeln und beherbergte zugleich Werkstätten: eine Nähstube und eine Tischlerei. 1979 kündigten die Eigentümer den Mietvertrag, um die Gebäude abreißen und neu bebauen zu können. Allerdings hatte die Stadt in diesem Jahr den Stadtteil „Im Grün“ zum Sanierungsgebiet erklärt, wodurch das Vorhaben der Kaffenbergers gebremst wurde. Kurz darauf, Anfang 1980, gründete sich der Verein „Leben und Arbeiten in der Gretherschen Fabrik“, um eine Nutzung des Geländes als Verbindung von Wohnen, Arbeiten und Kultur zu ermöglichen. Es war die Zeit der Hausbesetzungen und die Stadt rechnete den Verein umstandslos zu den Hausbesetzern und war zu vernünftigen Verhandlungen nicht bereit. Der 1982 neu gewählte Oberbürgermeister Böhme, der sich mit programmatischen Reden zur Förderung der Alternativwirtschaft hatte wählen lassen und gerade im Grün sehr viele Stimmen erhielt, gehörte zu den entschiedenen Gegnern des Vereins. Im Mai 1983 kaufte die Stadt das Gelände für 4,5 Mio. DM von der Erbengemeinschaft Kaffenberger, beschloss aber den Erhalt der Gebäude und erstellte einen Bebauungsplan.
Der politische Druck wurde jedoch so groß, dass auf Vorschlag des Gemeinderats mit den Nutzern Verhandlungen über die Maschinenhalle geführt wurden. Obschon die Hausbesetzungen weiter eskalierten und Polizei das Grethergelände als „mögliche Gefahr für die innere Sicherheit“ (Stadtzeitung 121 S. 32) sah, kam es 1987 zu einem Erbbauvertrag mit den Nutzern (Grether West Projekt Maschinenhalle). Dort baute der Verein bis 1992 sieben Sozialwohnungen und Räume für das feministische Archiv und das Lager. Für die Bauarbeiten war ein eigener Verein gegründet worden: Die „Grether Baukooperative für Instandsetzung in Selbsthilfe e.V.“

Auf dem Gelände gab es ein weiteres attraktives Gebäude, die Gießereihalle (siehe Karte https://grether.syndikat.org). Die Stadtverwaltung wollte die Halle zur Markthalle umbauen. Dies kollidierte mit dem Wunsch des AAK (Arbeitskreis Alternativer Kultur), die Halle als Spielstätte und für Kultrurveranstaltungen zu nutzen. Im Januar 1986 sprach der Gemeinderat dem AAK unter Auflagen das Recht zum Umbau und zur Nutzung der Halle zu. Überraschend gab es ein neues Problem, Blei- und Cadmiumstaub, ein Erbe des früheren Gießereibetriebs. Deswegen wurde ab September 1989 die Nutzung der Gießereihalle verboten und Sanierungsgutachten in Auftrag gegeben. 1991 gab die „Initiative Grether Ost“ das Angebot ab, die Altlastensanierung in Eigenregie durchzuführen und die 1,6 Mio. DM selbst zu finanzieren. Trotz heftiger Widerstände seitens der Stadtverwaltung stimmte der Gemeinderat zu. Grether Ost begann mit der Altlastensanierung und den ersten Ausbauarbeiten.
Gestärkt durch die Erfolge der Eigenarbeit und der politischen Verhandlungserfolge legte der Verein „Grether-Ost“ 1991 ein Kaufangebot für das ganze Gelände von 2,3 Mio. DM vor, um sich eine sichere Grundlage zur Verwirklichung ihrer Ideen zu schaffen, allerdings unter Ausschluss des AAK. Die Stadt brauchte wiederum vier Jahre, um dieses Angebot im Januar 1995 schließlich anzunehmen. Fünf Jahre später kaufte die neugegründete Grether Süd GmbH das am Südrand des Grethergeländes gelegene Gebäude hinzu. Bis 2006 wurden alle Gebäude grundlegend renoviert und neu vermietet. Das Eigentum ist auf drei GmbHs (Ost,West Süd) aufgeteilt.
Inzwischen waren noch weitere Immobilien erworben worden: ein kleines Wohnhaus in der Rennerstraße, die „Krone“ in Sulzburg, die „Villa Nostra“ in Bad Krozingen und eine Beteiligung an „S.U.S.I.“ auf dem Vaubangelände. Alle Projekte wurden nach demselben rechtlichen Muster konstruiert. Der Verein „Leben und Arbeiten in der Gretherfabrik“ wandelte sich in eine Beteiligungsgesellschaft: die „Mietshäuser Syndikat GmbH“ (1996). Jedes erworbene Haus bildete eine eigene Eigentümer-GmbH, an der die Mietshäuser Syndikat GmbH zur Hälfte beteiligt war. Damit wurde einerseits die Autonomie der einzelnen Häuser, anderseits die praktische Unmöglichkeit des spekulativen Verkaufs ohne Einigung mit dem Mietshäusersyndikat erreicht. Die Immobilien sollten „immobil“ werden, hieß es programmatisch. Die Finanzierung erfolgte über ca. 8 Mio. Privatkredite zu ca. 2 % Durchschnittszins, öffentliche Mittel für Sozialen Wohnungsbau und in geringem Umfang Bankkredite. Seit 2001 wurde das Modell in ganz Deutschland angewandt und umfasst inzwischen (2018) 130 Hausprojekte.


(Siehe auch: www.syndikat.org und www.wikipedia/wiki/miethäusersyndikat_syndikat). Wie der Aufbau dieses „Konzerns“ gelang ist öffentlich nicht zugänglich. Eine unentbehrliche Rolle spielte jedenfalls Stefan Rost. Ein Interview mit ihm findet sich im: Der Freitag, Ausgabe 43/2014.