Soziale Bewegungen in Freiburg

Die Auflösung des SDS

Anfang 1970 löste sich die Gruppe auf und der Bundes-SDS folgte kurz darauf. Was war geschehen? Der Regierungsantritt Brandts („Mehr Demokratie wagen“), der Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die Tschecheslowakei im August 1968, das Attentat auf Rudi Dutschke, die ungebrochene Macht der Springerpresse, waren nur äußere Anlässe. Die Ziele Selbstbestimmung und Basisdemokratie waren nicht organisierbar. Viele Mitglieder waren völlig erschöpft und resignierten nach zwei Jahren intensivster Aktivität. Die erhofften raschen Veränderungen traten nicht ein. „Schafft viele Vietnams“ hatte sich nicht bewahrheitet. Es wurde auch Zeit, sich um den künftigen Lebensunterhalt zu kümmern.

Ein unerwarteter, wilder Streik von 10.000 Hoescharbeitern im September 1969 gab anscheinend Bewegungsunternehmern recht, die schon immer für Parteigründungen nach dem Muster der alten KPD waren. Wie Pilze aus dem Boden schossen Miniparteien mit Vorsitzendem, Zentralkomitee, Kader, gewöhnlichen Mitgliedern und einem Blättchen namens Zentralorgan, die sich erbittert bekämpften und den Führungsanspruch in der Arbeiterklasse und übereinander beanspruchten. Die meisten Ihrer Mitglieder gehörten einer jüngeren Generation der ab 1950 Geborenen an. Die Trotzkistische Gruppe internationaler Marxisten (GIM) Maoistische Aufbauorganisationen (KPD/AO) marxistisch leninistische Gründungen (KPD/ML) wiederum getrennt nach KPD ML Rote Fahne und Roter Morgen. Die größte und wichtigste Organisation wurde „Der Bund kommunistischer Arbeiter“ (BKA) später „Kommunistischer Bund Westdeutschland“ (KBW), in dem Michel Moos eine wichtige Rolle übernahm. Ihre Zeitung, die „Kommunistische Volkszeitung“ erschien von 1973 – 1983. Gemeinsam war diesen Gruppen, dass sie in den Gewerkschaften Fuß zu fassen und andere Initiativen zu unterwandern suchten, wie beispielsweise die Wyhlbewegung. Die Basisgruppen an der Universität wurden in Rote Zellen umbenannt, z. B. Rotzeg, rote Zelle Germanistik.
Die ursprünglichen Intentionen der freien Selbstverwirklichung und demokratischer Beteiligung wurden von den sogenannten Spontis aufrechterhalten, die glaubten, dass man zumindest die Universität in Besitz nehmen und verändern könnte. Spontane Aktionen, wie Seminarbesetzungen, Störung von Vorlesungen mit Theaterauftritten, Aufkleber in den Telefonzellen „Wir hören mit, ihre Post“, Aktionen zur Wiederkehr des 2. Juni 1967, oder eine gefälschte Sonderausgabe der Badischen Zeitung. Die Kommunikation fand vor allem außerhalb der Uni statt: in den Kneipen Grünhof, Erika, Roter Punkt oder Reichsadler (Geier). Viele sympathisierten mit der RAF. Aus ihrem Wahlbündnis FAUST ging der Arbeitskreis „Schöner Wohnen“ hervor, der 1977 die Besetzung der Kajo 282 mit initiierte und eine neue Ära des Häuserkampfes in Freiburg einläutete. Das Deutsche Seminar wurde zeitweise besetzt unter dem Motto „Die Wahrheit wird Euch freimachen, die Freiheit werden wir wahrmachen“. Zu den neuen Aktivitäten gehörte das Kino Aspirin, gegründet und betrieben von Walter Moßmann, Klaus Theweleit, Monika Theweleit-Kubale, Yussuf Reich, Carmen Wenk-Reich, Peter Schleuning, Freya Hoffmann – sie gehörten später auch zu den Gründern des „Kommunalen Kinos“.

Die beginnende Lehrerarbeitslosigkeit, Berufsverbote für Linke verschärften die Situation. Die endgültige Verabschiedung des Landeshochschulgesetzes 1977 verschärfte die Studienanforderungen, die Mitbestimmung des Mittelbaus wurde zurückgenommen, an der Universität tauchten die ersten Studenten aus der reformierten Oberstufe auf, die williger als ihre Vorgänger waren, marktkonforme Intelligenz zu sein. Der ASTA wurde durch das Landeshochschulgesetz abgeschafft. Das Programm des Einbringens der eigenen Persönlichkeit erwies sich als nicht tragfähig genug. Es entstand ein Szenenjargon und typisierten Kleidungs – und Verhaltensmustern, die die fehlenden Inhalte überdeckten.

Mit der Auflösung der Studentenbewegung entstanden Anfang der siebziger Jahre andere Bewegungen, die ihren Schwerpunkt nicht mehr in der Universität hatten.